Iranische Revolutionen: Twitter, Grün, Weiß, Islamisch

2009 kam es zu Unruhen nach den Wahlen, die man auch als ‚Grüne‘ oder ‚Twitter Revolution‘ bezeichnet.

Ein Q History-Beitrag zu den Iranischen Revolutionen.Iranische Revolutionen

20. August 1979, Deutsche Botschaft, Teheran:

„Auch zur Stunde wälzen sich wieder unübersehbare Menschenmengen durch die Hauptstraßen […], die den Tod der kurdischen Verräter und die Vernichtung der Volks-Fedayin und der Tudeh-Partei fordern. […] Dem derzeitigen Regime fehlt es weder an Massenunterstützung noch an Geld noch an eiserner Entschlossenheit, sich an der Macht zu halten.“

1979 brach im Iran die Islamische Revolution aus. Innerhalb eines Jahres war die Monarchie des Shahs beseitigt und an ihrer Stelle ein islamischer Gottesstaat errichtet, mit Ayatollah Khomeini an der Spitze. Was war passiert?

Der Shah beginnt Anfang der 60er Jahre ein radikales Reformprogramm durchzupeitschen. Durch Enteignung, Verstaatlichung, aber auch Privatisierung und eine Bildungsoffensiven hofft er aus dem Iran einen modernen, westlichen Staat zu machen.

Doch die Weiße Revolution, wie die Reformen auch genannt werden, hat nicht nur Freunde. Schon früh formiert sich Widerstand unter den Großgrundbesitzern, Händlern, der Geistlichkeit, aber auch dem Bürgertum und marxistischen Kräften.

1978 entlädt sich der Unmut der Bevölkerung in Massendemonstrationen und Streiks. Die Lage spitzt sich derart zu, dass der Shah im Januar 1979 fliehen muss. Hier fängt die Geschichte der Islamischen Revolution aber erst an.

Wenige Tage später kehrt Ayatollah Khomeini, ein prominenter Geistlicher und Gegner des Shahs, aus seinem französischen Exil zurück. Innerhalb kürzester Zeit versteht er es, die revolutionären Kräfte zu bündeln und gegen die Überreste der Monarchie zu richten.


Der Deutsche Botschafter in Teheran meldet am 13. Februar:

„Schneller Zusammenbruch der Streitkräfte, Gendarmerie und Polizei […] hat islamische Republik ohne Law-and-order-Kräfte gelassen.“

Sogenannte Revolutionsgerichte rechnen mit den Handlangern des Shah-Regimes brutal ab. Gleichzeitigt beginnt Chomeini etwaige Konkurrenten innerhalb der Geistlichkeit abzudrängen. Wenig später sind seine ehemaligen Verbündeten das Ziel. Linksradikale und Bürgerliche wie die Nationale Front oder die sozialistischen Volksmudschahedin haben keine Chance vor den Revolutionsgerichten.


Der Deutsche Botschafter in Teheran berichtet am 17. Februar:

„Die befürchteten Hinrichtungen […] haben begonnen.“

Nicht selten werden die Bilder der Leichen in Zeitungen publiziert.

Schon während der Kämpfe arbeitet Khomeini fieberhaft am Umbau der Shah-Monarchie zu einem schiitischen Gottesstaat. Diese Pläne lässt er sich Ende März durch eine Volksabstimmung absichern, bei der nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Am 1. April meldet die Deutsche Botschaft in Teheran an Bonn:

„Noch bevor die Stimmen vollständig ausgezählt waren, hat Khomeini […] die ‚Islamische Republik‘ ausgerufen. Das Innenministerium gibt heute als vorläufiges Wahlergebnis bekannt: Wahlberechtigte 18 Mio., Walbeteiligung 98 Prozent, davon Ja-Stimmen 97 Prozent. Alle drei Zahlen sind mit Sicherheit falsch.“

Vor der Kulisse eines drohenden Eingriffs der – in seinen Augen – imperialistischen USA, gelingt es Khomeini seine Machtbasis auszubauen. Es dauert aber noch über ein halbes Jahr, bis der Ayatollah durch Gleichschaltung der Medien, Niederschlagung bürgerlicher Proteste usw. endgültig fest im Sattel sitzt.

Frau Simin (Name von der Red. geändert) lebte damals im Iran und kann von der Islamischen Revolution berichten.

Frau Simin: „Es war einfach so, dass viele Versprechungen gemacht wurden und das vorherige Regime des Shahs kritisiert wurde. Man sagte den Leuten, dass sich vieles ändern würde, dass es mehr Freiheit für die Menschen geben werde, dass es gerechter werde. Natürlich ist das wie hier, wenn eine Partei mit einer Wahl konfrontiert wird. Aber dadurch, dass Khomeini sehr glaubwürdig erschien, haben viele Menschen an die Versprechungen geglaubt.“

Auch nach der Revolution prägte das autoritäre, theokratische Regime Khomeinis das Leben der Menschen.

Frau Simin: „Der Alltag war einfach ganz anders. Der Iran war ein entwickeltes Land gewesen. Nicht unbedingt im Politischen Bereich, aber außerhalb dessen hatte man viele Freiheiten. Und diese Freiheiten wurden uns genommen! Alles wurde dem Islam untergeordnet. Die Leute wurden immer mehr kontrolliert, es wurden immer mehr Verbote ausgesprochen. Alkohol durfte man nicht mehr trinken, Musik war verboten. Das musste sogar nicht unbedingt westliche Musik sein, das konnte auch persische sein. Das war wie ein neues Leben für uns.“

Die Unzufriedenheit von vielen Iranern entlud sich letztes Jahr nach den Wahlen in Massendemonstrationen und Protesten.

Frau Simin: „Was sich gar nicht geändert hat ist der Druck. Es ist dem Regime immer noch egal, was das Volk will. Auch in den letzten Jahren waren die Menschen mit der Politik nicht einverstanden. Ich sehe da kaum Änderungen zu früher. – Die Leute haben keine Rechte, ihnen bleibt nichts anderes übrig als sich zurückzuziehen, ihr eigenes Leben zu leben. Es sind Kleinigkeiten, durch die man in Schwierigkeiten kommt. Die Demonstationen letztes Jahr haben nichts gebracht. Das Ergebnis war mehr Druck, mehr Verhaftungen, Gewalt und Tote. Meiner Meinung nach braucht es jemanden von außen, der sich einmischt.“

Music: ‘Sahara’ by Antonio Genovino. Courtesy of BeatPick.com
Quelle: Michael Ploetz, Tim Szatkowski: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1979 Bd. I: Januar bis 30. Juni 1979. R. Oldenburg Verlag München, 2010, S. 211, Anm. 18, S. 464, Anm. 5. Michael Ploetz, Tim Szatkowski: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1979 Bd. II: 1. Juli bis 31. Dezember 1979. R. Oldenburg Verlag München, 2010, S. 1178, Anm. 32.

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Desmond Kavanagh, by Hamed Saber I & II, BlatantNews.com