Geschichte des geistigen Eigentums – Copy, Paste, Piracy

Der Umgang mit geistigem Eigentum lässt die Deutschen in Zeiten von Plagiatsaffären und illegalen Downloads nicht los.

Ein Q History-Beitrag zur Geschichte des geistigen Eigentums.

Copy-Paste-Piracy-Die-Geschichte-des-Geistigen-Eigentums

Die Geschichte des geistigen Eigentums beginnt mit einem Fluch … „Es war das Jahr 1886, als in Bern zehn Staaten allgemeine Regelungen für das Urheberrecht schufen. Die ‘Berner Übereinkunft‘ sollte …“

Moment, Moment! Natürlich wurde das moderne Urheberrecht erst um 1900 begründet. Soweit sind wir doch aber noch nicht! Ich sagte doch, die Geschichte beginnt im Mittelalter mit einem Fluch …

„Allen, die unrecht verfahren und sündigen mit diesem Buch, denen sende ich diesen Fluch und denen, die Falsches hinzu erdichten: Der AUSSATZ soll sie dann vernichten […].“ So Eike von Repgow (ca. 1180-1233). Der Bücherfluch sollte Unbefugte davon abhalten, den von ihm verfassten Sachsenspiegel zu verändern. Mit dieser Meinung stand Eike aber relativ alleine da.

Abschreiben war im Mittelalter gang und gäbe

Außer bei Gesetzestexten war das Abschreiben und Verändern von Schriften im Mittelalter Gang und Gäbe. Viele Mönche verbrachten einen Großteil ihres Lebens mit dem Kopieren des kostbaren Schriftguts. Zwar hatten sich Autoren schon im antiken Rom gegenseitig Plagiate vorgeworfen, mit dem Konzept von geistigem Eigentum konnte man im Mittelalter aber noch nichts anfangen.

Das lag vor allem daran, dass Bücher sehr selten waren, ein Umstand der sich durch die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg ändern sollte. (laute Druckerpresse im Hintergrund) Wie bitte? … Nein, der andere Gutenberg! 1440 krempelt Johannes Gutenberg (ca. 1400-1468) die Ärmel hoch und druckt was das Zeug hält: Bücher, Hefte, Flugblätter.

Raubkopierer stürzen sich auf Luthers Bibelübersetzungen

Luthers Reformation befeuert das Geschäft und lässt das Druckgeschäft explodieren. Seine Bibelübersetzungen gingen weg wie warme Semmeln und erreichten innerhalb von nur drei Jahren 22 Auflagen und ganze 110 Nachdrucke!
Den Verlegern sind die Nachdrucke, heute würde man Raubkopien sagen, natürlich ein Dorn im Auge, drücken sie doch die Preise.

Obwohl oder gerade weil das Anfertigen von Nachdrucken aber nicht illegal ist, werden die Verleger bei den Landesfürsten vorstellig, um so genannte Privilegien zu ergattern. Diese verschaffen ihrem Besitzer für zehn bis 20 Jahre ein Druckmonopol. Trotzdem ist die Zeit aber noch nicht reif für ein einheitliches Urheberrecht, zumindest nicht im juristischen Dschungel der zahlreichen Fürstentümer des Heiligen Römischen Reiches. Von einem veränderten Verhältnis zum Inhalt ganz abgesehen: Es wurde weiter fröhlich abgeschrieben, verändert und neu zusammengesetzt.

Die Berner Übereinkunft (1886) ist noch heute gültig

(Dampf-betriebene Druckmaschinen und Arbeitergeschrei im Hintergrund) Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nimmt die Schriftproduktion noch mal einen ordentlichen Zacken zu. Dampf-betriebene Rotationsmaschinen drucken im Sekundentakt Hefte, Bücher und ein immer größer werdendes Heer von Zeitungen.

Es soll aber noch fast 90 Jahre dauern, damit einem inzwischen geeinten Kaiserreich auch ein einheitliches Urheberrecht gegenüber steht. 1886 … „1886 trafen sich in Bern zehn Nationen, um allgemeine Regelungen für das Urheberrecht zu …“ Ja, ja schon Recht, am Ende setzten sich die Verleger durch. Die Berner Übereinkunft von 1886 ist zwar oft verändert worden, hat aber bis heute in den meisten Staaten der Welt Gültigkeit. So gilt fast überall auf der Welt, dass ein Verlag auch 50 Jahre nach dem Tod eines Autors das alleinige Druckrecht auf von ihm erworbene Texte besitzt.

Geistiges Eigentum als Erfindung des 19. Jahrhunderts

Wie die Übereinkunft ist auch das geistige Eigentum ein Kind des 19. Jahrhunderts. Erst nach der Französischen Revolution setzt sich durch, dass Autoren als Eigentümer ihrer Gedanken angesehen werden und diese somit auch verkaufen können. Ende gut, alles gut? … Nur bedingt. Das digitale Zeitalter stellt die Vorstellung vom geistigen Eigentum und somit auch das Urheberrecht vor neue Herausforderungen.

(Großraumbüro-Hintergrundlärm) Während man vor wenigen Jahren Produzenten und Konsumenten noch klar trennen konnte, ist die Reproduktion und Modifikation von Texten, Bildern, Medien allgemein heute nur einen Klick weit entfernt. Gehören Autoren und Verleger also bald zu den aussterbenden Berufen? Wahrscheinlich nicht.

Fehlende Urheberrechte als Voraussetzung für die deutsche Industrialisierung?

Der Historiker Eckhard Höffner hat die Buchmärkte Deutschlands und Großbritanniens im 19. Jahrhundert untersucht, und Erstaunliches zu Tage gefördert. Obwohl das Urheberrecht in Deutschland erst 160 Jahre später als in England eingeführt wurde, hatte dies nicht nur negative Effekte auf den Buchmarkt. Im Gegenteil! Im Vergleich zu England wurden in den deutschen Gebieten mehr Bücher geschrieben, veröffentlicht und gedruckt.

Während die günstigen Preise den Bücherkonsum der Menschen in die Höhe trieben, fielen die Gewinne der Verleger jedoch eher niedrig aus. Und die Autoren? Sie bekamen mitunter das zehnfache Gehalt ihrer englischen Kollegen. Dies führt Höffner zu einer erstaunlichen These: Die explosionsartige Industrialisierung und Wissensanhäufung im Deutschland des 19. Jahrhunderts war nur möglich, weil man im Gegensatz zu Frankreich und England lange Zeit kein Urheberrecht hatte.

Die Studie Höffners zeigt: Wie geistiges Eigentum in Zukunft auch definiert werden wird, man sollte dessen Einfluss auf Innovation, Wissenszugang und Wirtschaft nicht unterschätzen.


Autor/Redaktion: Philipp Spreckels

Literatur: Ute-krauss Leichert: Zeitreise durch die Geschichte des Urheberrechts, Geschichtsunterricht: Daniel Eisenmenger, Heise online: Wem nutzt das Urheberrecht?
Quellen: Eike von Repgow, Sachsenspiegel: in hochdeutscher Übersetzung von Paul Kaller, München 2002, S. 15
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